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Führungsfragen:
Von Führungskräften, die Depressionen haben.

aus: Meedia 37-38-2023

Triggerwarnung: Depression, Suizid
 

Die mentale Gesundheit der Arbeitnehmenden in Deutschland ist so stark belastet wie noch nie: Nach einer aktuellen Untersuchung der KKH kamen im ersten Halbjahr 2023 auf 100 Versicherte 303 Ausfalltage wegen seelischer Leiden. Das entspricht einem Anstieg von 85% gegenüber dem Vorjahr. Damit wird der Anteil der Angestellten, die aufgrund psychischer Erkrankungen ausfallen, dieses Jahr wahrscheinlich erstmalig über 10% liegen. Das sind alarmierende Zahlen.

 

Da ist es begrüßenswert, dass viele Unternehmen das Thema mittlerweile mit hoher Priorität behandeln – Mental Health Days, Schulungen in Achtsamkeit, Resilienz und Burnout-Prävention, Zulassung von Bürohunden, Implementierung von internen Mental Health Ansprechpartnern sind nur einige der Initiativen, um dem Problem zu begegnen.

 

Die Mitarbeitenden sind also im Fokus der Arbeitgebenden. Doch was ist insbesondere mit den Führungskräften?

 

Ihnen kommt in dieser Situation eine besondere Rolle zu. Denn sie sind im Rahmen ihrer Fürsorgepflicht für die körperliche und mentale Gesundheit der Menschen, die ihnen anvertraut sind, verantwortlich. Und sie können viel tun, auch wenn sie keine Berater, Psychologen oder Therapeuten sind: Sie können durch Sensibilisierung und Kommunikation für Aufklärung und Offenheit sorgen, ein unterstützendes Arbeitsumfeld schaffen, ausreichend Ressourcen (für Unterstützung) bereitstellen, und Vorbild sein. Beim letzten Punkt wird es jedoch schwierig. Denn „Leading by Example“ bedeutet in diesem Fall nicht nur, sich achtsam zu verhalten, und auf die eigene mentale Gesundheit zu achten. Es bedeutet auch, offen über eigene Belastungen zu sprechen.

 

Statistisch betrachtet müsste nämlich auch jede zehnte Führungskraft in der werbungtreibenden Industrie unter Depressionen, Anpassungsstörungen oder Angststörungen & Co. leiden. Doch wie viele Führungskräfte kennen Sie, die offen darüber sprechen, dass sie Depressionen haben?

 

Am 10. November 2009 nahm sich Robert Enke das Leben. Er litt unter Depressionen. Er war Spitzensportler, Leistungsträger und Führungskraft. Die öffentliche Bestürzung war damals riesengroß. Doch noch heute – 14 Jahre später – ist es für Führungskräfte offensichtlich ein Tabu, über ihre mentale Gesundheit zu sprechen. Denn sie haben Angst vor Stigmatisierung. Sie haben Angst davor, als nicht mehr leistungsfähig abgestempelt zu werden.

 

Wenn ich Führungskräfte über Depressionen und Burnout sprechen höre, dann immer nur in der Retrospektive, nie über die Gegenwart. Und dann wird immer eine Erfolgsgeschichte erzählt - nämlich was die Betroffenen danach alles in ihrem Leben verändert haben, um noch stärker und leistungsfähiger aus ihrer Krise hervorzugehen.

 

Was sie dadurch aber unbewusst signalisieren ist, dass es eben doch nicht ok ist, über die eigene psychische Gesundheit zu sprechen. Wie können Unternehmen dann erwarten, dass ihre Mitarbeitenden ohne Ängste über ihre eigenen, höchst intimen Sorgen und Schwächen sprechen?

 

Ich habe eigene persönliche Erfahrungen mit Depression und Burnout. Auch ich habe es in meiner Agenturzeit leider verpasst, darüber offen zu sprechen. Deswegen hoffe ich sehr, dass es den nachfolgenden Managergenerationen gelingt, ein Umfeld und eine Kultur zu etablieren, in der das für sie möglich ist. Denn nur so kann ein Thema, das ohnehin schon sehr belastend ist, für alle Beteiligten ein wenig leichter werden.

 

Wenn Sie selbst depressiv sind, wenn sie Suizid-Gedanken plagen, dann kontaktieren Sie bitte die Telefonseelsorge im Internet oder über die kostenlose Hotlines 0800 1110111 oder 0800 1110222. Die Deutsche Depressionshilfe ist in der Woche tagsüber unter 0800 3344533 zu erreichen.

Illustration: Bertil Brahm

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